Magdeburg: Das 1. Ökumenische Neujahrsgespräch widmete sich der Willkommenskultur
Willkommen!?«, stand über dem 1. Ökumenischen Neujahrsgespräch in Sachsen-Anhalt, zu dem Katholische und Evangelische Akademie nach Magdeburg eingeladen hatten. Es befasste sich mit Flucht und Migration und versuchte, Willkommenskultur zu beschreiben. Geschichtsprofessor Thomas Großbölting, Münster, nahm die Bibel zum Zeugnis, dass Flucht und Wanderungen der Menschheitsentwicklung immanent sind. Abraham, das Volk Israel, Maria und Josef, sie alle waren irgendwann Fremde, sagte er in seinem Vortrag über Flucht- und Wanderbewegungen in Mitteldeutschland und die Rolle der Kirchen. Die Definition vom Wir und »den anderen« erweise sich als Chimäre; das Wir verändere sich so permanent wie Menschen aus- und einwandern. Und die Kirche? Die pflegte nicht immer das biblisch befohlene Willkommen. Der Traum vom wehrhaften Glauben führte eher dazu, den Fremden als Feind zu sehen. Natürlich gab es auch immer den sozialen Einsatz. Katrin Gerdsmeier, Juristin und Direktorin des Berliner Büros des Deutschen Caritasverbandes, befasste sich in ihrem Impulsvortrag mit der Frage, wer nach Deutschland kommt: Menschen, die wegen Kriegen aus ihrer Heimat fliehen, und Arbeitsmigranten. »Alle, die kommen, brauchen verlässliche Rahmenbedingungen«, nannte sie eine Forderung der Kirchen. »Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände sehen sich auch selbst in der Pflicht.« Flucht und Migration seien sozusagen die kirchliche DNA.
![Mitteldeutsch-a-50-2014 Wie Kirchen helfen: Eine Flüchtlingsfamilie in Mainz konnte kürzlich aus der Sammelunterkunft in eine eigene Wohnung umziehen. Die Kirchengemeinde stellt diese Wohnungen zur Verfügung. Foto: epd-bild/Kristina Schäfer](http://www.glaube-und-heimat.de/files/2014/12/Mitteldeutsch-a-50-2014.jpg)
Wie Kirchen helfen: Eine Flüchtlingsfamilie in Mainz konnte kürzlich aus der Sammelunterkunft in eine eigene Wohnung umziehen. Die Kirchengemeinde stellt diese Wohnungen zur Verfügung. Foto: epd-bild/Kristina Schäfer
Wie aber heißt man die Menschen willkommen? »Wir müssen jungen Leuten den Horizont weiten«, nannte Gerhard Feige, Bischof des Bistums Magdeburg, einen ihm wichtigen Aspekt. Und: Kirche könne den Fremden Heimat sein, da sie vertraute Riten biete. Doch oft löse seine Frage nach ausländischen Katholiken Erstaunen aus. Und Landesbischöfin Ilse Junkermann sagte, dass auch in den Gemeinden der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland »mindestens Vorbehalte gegenüber Fremden und fremden Religionen stark« existierten.
Sachsen-Anhalt will eine neue Willkommenskultur praktizieren, beispielsweise indem Familien möglichst schnell aus Sammelunterkünften in Wohnungen ziehen. »Wir bieten niedrigschwellige Sprachkurse und möchten, dass sich die Behörden als Dienstleister verstehen«, sagte Innenminister Holger Stahlknecht. Zugleich warb er um Verständnis: Es brauche Zeit zu akzeptieren, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. »Es soll aber nicht jeder hereingelassen werden.«
Nicht ohne Ansehen der Person aufnehmen, das sei auch die Position der Caritas, stimmte Katrin Gerdsmeier zu und schränkte ein. »Aber zuerst müssen alle Schutzsuchenden aufgenommen werden, danach ist zu schauen, wer wirklich Bedarf hat. Und wenn wir Menschen zum Arbeiten herholen, haben wir auch eine Verantwortung für ihre Familien«, hielt sie dem Minister entgegen. »Wir als Kirche müssen die Menschen auch in ihrer Abwehrhaltung gegenüber Fremden ernst nehmen. Integration heißt, dass sich alle bewegen«, stellte Ilse Junkermann zum Abschluss fest.
Renate Wähnelt